Hans Fähnle – Impressionist – Expressiver Realist – Surrealer Poet

Ein Künstler zwischen den Welten

   Wie viele Vertreter seiner Generation durchlief Hans Fähnle, bedingt durch die kulturellen und künstlerischen Umbrüche vor und nach den beiden Weltkriegen, verschiedene Stilphasen. Der Kunsthistoriker Rainer Zimmermann hat diese zwischen 1890 und 1905 Geborenen erstmals 1980/1994 unter dem Begriff des „Expressiven Realismus“ gewürdigt und als „Verschollene Generation“ bezeichnet.

   Fähnles erste, noch impressionistisch beeinflusste Werkphase beginnt 1922 mit dem Studium an der Staatlichen Kunstgewerbeschule und anschließend an der Akademie in Stuttgart. Skizzenhaft, aber kräftig ist der Auftrag der Farbe, erst tonig, dann hell und nuancenreich die Palette. Der jeweils bildprägende Moment wird eingefangen. Es dominieren Bildnisse, häusliche Szenen und Landschaften. Ein größerer Einfluss der Farbe, die intensiver und zugleich expressiver wird, wie auch eine Verfestigung der Form lassen sich in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre beobachten.

   Die zweite große Werkphase beginnt nach dem Krieg. Hans Fähnle kehrt in sein wieder aufgebautes Atelierhaus in der Stuttgarter Ameisenbergstraße zurück und wird Mitbegründer und Lehrer der Freien Kunstschule Stuttgart. Das Unterrichten, das enge Zusammenleben und der Austausch mit den Künstlerfreunden inspirieren ihn und spornen ihn an. Sein Themenspektrum erweitert sich. Neben der Aktmalerei, die er selbst unterrichtete, mehren sich religiöse und mythologische Themen. Kriegserlebnisse verarbeitet er in Bildern, die Gewalt, Trauer, Wut, Aggression, Verzweiflung und Elend ausdrücken. Seine Menschenbilder wirken zunehmend deformiert, die Räumlichkeiten beengter. Fähnles Farbpalette entfernt sich von den Lokalfarben und wird noch intensiver. Durch Gestik und Gebärdensprache steigert er die Expressivität und Spannung seiner Gemälde. Max Beckmann und Emil Nolde scheinen in dieser Zeit sein Werk zu beeinflussen.

   Mitte der Fünfziger Jahre nimmt Hans Fähnle Elemente des Surrealismus auf. In seinen Bildern zeigt sich ein stärkeres Interesse an der Linie. Es kommt zu neuen, ganz eigenen Bilderfindungen. Kratzspuren in die nasse Farbe und eine fast kindliche Malweise erinnern an Paul Klee, auch wenn Fähnle nicht dessen Detailbesessenheit und Feinheit hat. Die Bilder weisen eher eine fiebrige Intensität auf, einen Hang zur Versponnenheit und Phantastik und verdeutlichen die Fragilität des Malers.

   Bis Ende der fünfziger Jahre geht Hans Fähnle weitere Schritte in Richtung Abstraktion. Formen und Figuren werden zunehmend reduzierter und kompakter, das Farbspektrum wird eingeschränkt, die Farbintensität nimmt ab, zumindest bei Sujets wie Akt- und Figurenbildern.

   Diese Entwicklung leitet über in seine letzte Werkphase, in der Hans Fähnle in den sechziger Jahren mit rein abstrakten Formen experimentiert. Dabei geht es ihm sowohl um die äußerste Reduzierung von Form und Gestalt als auch um die zunehmende Verselbständigung der Farbe. Er strebt eine vollständige Wiedergabe der Wirklichkeit nicht an, gibt sie aber auch nicht auf - Fähnle bleibt ein Expressiver Realist.

Dr. Ulrike Niederhofer, Überlingen am Bodensee, April 2011